Phosphorrecycling in Kläranlagen Graphiqa@Envato-Elements
Abfall 1. September 2022

Phosphorrecycling: Vom Abfall zum Wertstoff

Ab 2029 müssen Kläranlagen mit mehr als 100.000 Einwohnerwerten Phosphor aus Klärschlamm recyceln. Im kommenden Jahr sollen entsprechende Konzepte zur Umsetzung vorliegen. Wieviel Phosphor steckt im Abwasser und mit welchen Verfahren lässt es sich zurückgewinnen? Klimaschutz Kommune wirft einen Blick auf den aktuellen Stand in Sachen Phosphorrecycling.

„Klärwerke sind unerschöpfte Goldgruben“, so titelte die WELT bereits im Juli 2011. Mit „Gold“ meinte die Autorin des Wissenschaftsbeitrags vor allem – ein essentieller Bestandteil allen Lebens. Etwa zwei Gramm davon nimmt der Mensch täglich über Nahrungsmittel auf. Was der Körper nicht benötigt, wird ausgeschieden und landet letztlich in der Kläranlage. Dort endet in der Regel die Reise des Phosphors, der bislang zu 100 % aus dem Ausland nach Deutschland importiert wird.

Doch die Nachfrage nach diesem lebenswichtigen Rohstoff ist nicht nur hierzulande hoch – und die natürlichen Vorkommen weltweit begrenzt. Ein Umdenken ist also nötig. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt und in der 2017 novellierten Klärschlammverordnung (AbfKlärV) eine Pflicht zur Rückgewinnung von Phosphor aus formuliert. Denn das Gute an dieser endlichen Ressource ist: Sie lässt sich unendlich oft recyceln. Wie gelingt es aber nun, diesen „Goldschatz“ zu heben?

60.000 Tonnen Phosphor im Klärschlamm

Laut Statistischem Bundesamt fielen 2020 in Deutschland insgesamt rund 1,7 Millionen Tonnen Klärschlamm an – darin enthalten sind etwa 60.000 Tonnen Phosphor. Von den 1,7 Millionen wurden circa 1,3 Millionen Tonnen Klärschlamm thermisch entsorgt und circa 400.000 Tonnen stofflich verwertet. Stofflich verwertet heißt: Klärschlamm wird gemäß AbfKlärV in der Landwirtschaft eingesetzt, bei landschaftsbaulichen Maßnahmen wie der Rekultivierung von Berg- und Tagebau sowie bei sonstigen Maßnahmen wie Vererdung und Kompostierung. Phosphor gelangte bisher demnach in Form von Klärschlamm wieder in den Kreislauf zurück, gemeinsam mit den in diesem Abfallprodukt ebenfalls enthaltenen Schwermetallen, Arzneimittelrückständen, Enzymen, Hormonen und Mikroplastik.

Diese bodenbezogene Verwertung von Klärschlamm hat der Gesetzgeber mit der AbfKlärV deutlich eingeschränkt und gleichzeitig die Bedeutung von Phosphor für die Landwirtschaft etc. hervorgehoben. Spätestens ab 2029 müssen Betreiber von Abwasserbehandlungs- und Klärschlammverbrennungsanlagen diesen Wertstoff aus Klärschlamm bzw. aus dessen Asche zurückgewinnen. Kleinere Anlagen haben Zeit bis 2032. Welche Technologien dabei zur Anwendung kommen, ist vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben. Das lässt Raum für die Entwicklung und den Einsatz innovativer Verfahren.

P-Recycling innerhalb der Abwasserreinigung und Klärschlammbehandlung

Entlang der Prozesskette der Abwasserreinigung und Klärschlammbehandlung gibt es verschiedene Ansatzpunkte für das von Phosphor. Dieses kann in der wässrigen Phase aus Schlamm- bzw. Prozesswasser gewonnen werden, aus weitgehend entwässertem Klärschlamm bzw. Faulschlamm oder aus Klärschlammasche, die nach der thermischen Abfallverwertung übrig bleibt. Weltweit wurden Verfahren entwickelt, die an unterschiedlichen Punkten innerhalb dieser Kette ansetzen. Auch die Bundesregierung hat von 2004 bis 2011 im Rahmen einer Initiative für Ressourcenschutz die Entwicklung und großtechnische Umsetzung von Verfahren zur P-Rückgewinnung gefördert. Als besonders aussichtsreich haben sich dabei nasschemische und thermochemische Prozesse erwiesen, die zum einen mit Schlammwasser, zum anderen mit Asche arbeiten.

Fällung dient primär der Beseitigung von Phosphor aus dem (Phosphoreliminiation), kann jedoch auch zu dessen Recycling genutzt werden. Bei der chemisch-physikalischen Fällung werden dem Prozesswasser sogenannte Fällmittel zugegeben – das sind i.d. R. Salze aus Magnesium, Eisen und Aluminium – welche Phosphorelemente binden und in eine feste, unlösliche Form überführen. Durch Ausfällung der Phosphate mit Magnesiumsalzen entsteht , ein pflanzenverfügbarer Dünger. Einige Kläranlagenbetreiber setzen auch auf die biologische Phosphorentfernung (Bio-P) durch Bakterien, die unter bestimmten Bedingungen große Mengen Phosphor aufnehmen und damit dem Abwasser entziehen.

Bei der Kristallisation wird Phosphor mittels Calciumsilikathydrat (CHS) aus dem Schlammwasser gelöst. Das CHS fungiert dabei einerseits als Keim, an dessen Oberfläche sich phosphathaltige Mineralphasen und Struvit auskristallisieren. Andererseits setzt es Hydroxidionen frei, mit denen ein für die Bildung von phosphathaltigen Mineralphasen günstiger pH-Wert hergestellt wird. Das Ergebnis dieser chemischen Reaktion ist ein phosphathaltiges Produkt, das sich nach der Trocknung direkt als Düngemittel weiterverwenden lässt.

Bei der Adsorption lagern sich Phosphate aus dem Abwasser an den Oberflächen von festen Körpern, wie Eisenoxidhydrat, Bimsstein oder Aktivtonerde an. Dieser Prozess dient vorrangig der Beseitigung von Phosphor aus dem Abwasser, lässt sich jedoch auch für dessen Recycling nutzen. Durch den Einsatz von Natronlauge lösen sich die Phosphate vom Festkörper und können wiederum mittels Fällung aus der Natronlauge als Rohstoff zurückgewonnen werden.

Hierbei wird der Teil des Phosphors gewonnen, der im Schlamm- bzw. Prozesswasser enthalten ist. Das können zwischen 5 und 30 % des im Kläranlagenzulauf enthaltenen Phosphors sein. Durch Fällung wird Magnesium-Ammonium-Phosphat (Struvit) gewonnen. Nasschemische Prozesse können relativ einfach und kostengünstig umgesetzt werden. Das so recycelte Phosphor gilt zudem als relativ schadstoffarm und lässt sich aufgrund seiner hohen Pflanzenverfügbarkeit als Rohstoff für die Herstellung von Düngemitteln einsetzen.

Thermochemische Prozesse sind technisch aufwendiger als nasschemische, damit auch teuerer umzusetzen und zu betreiben. Allerdings lassen sich mittels thermochemischer Aufbereitung mehr als 90 % Phosphor aus Klärschlamm zurückgewinnen. Während der Verbrennung werden zudem die im Schlamm enthaltenen organischen Schadstoffe zerstört. Wichtig bei diesem Verfahren ist die des Klärschlamms, um möglichst reinen Phosphor mit einem geringen Anteil an Verunreinigungen zu erhalten.

Die Pyrolyse ist eine thermische Verwertungsmethode, bei der Klärschlamm unter Abwesenheit von Sauerstoff erhitzt wird. Dabei werden organische Problemstoffe zerstört und es entsteht schadstoffarme sowie keimfreie Biokohle mit einem Phosphoranteil von bis zu 9 %. Die Düngewirkung dieser Biokohle wird derzeit im Rahmen der Förderinitiative „Böden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie (BonaRes)“ an der Universität Rostock untersucht.

Bei der Versauerung wird der pH-Wert des noch wässrigen Klärschlamms durch eine geringe Zugabe von Chemikalien auf 5,5 bis 4,0 abgesenkt. Aufgrund der veränderten Bedingungen nehmen die im Klärschlamm vorkommenden Mikroorganismen einer größere Menge Phosphor auf. Nach der anschließenden Entwässerung wird das Filtrat von Feststoffen befreit und der Phosphor ausgefällt.

Verfahren zur P-Rückgewinnung

Dezentral umgesetzt werden kann beispielsweise auch das Stuttgarter Verfahren, bei dem die Phosphor-Rückgewinnung mittels sauerer Laugung von Faulschlamm und anschließender Struvitfällung erfolgt. Je nach angestrebtem Rückgewinnungspotential kann hierbei bis zu 67 % Phosphor recycelt werden.

Als Favorit in Sachen Phosphorrecycling gilt derzeit die Monoverbrennung mit anschließender Aufbereitung der Asche. Das Umweltbundesamt rechnet es in einer Publikation zum Thema „Klärschlammentsorgung“ vor: Würde man sämtlichen, in Deutschland anfallenden Klärschlamm thermochemisch verwerten, ließen sich aus der Asche rund 50.000 Tonnen Phosphor im Jahr zurückgewinnen. Das entspräche rund 40 % des derzeitigen landwirtschaftlichen Verbrauchs. Das thermochemische Vorgehen ist aus verfahrenstechnischer Sicht günstig: Durch Verbrennung der organischen Anteile im Klärschlamm kann eine deutlich höhere Konzentration von Phosphor erzielt werden als bei der Rückgewinnung aus Prozesswasser oder entwässertem Klärschlamm bzw. Faulschlamm. So können beispielsweise mit den Verfahren AshTec® zwischen 95 und 100 % Phosphor aus Klärschlammasche gewonnen werden. Das macht eine solche Vorgehensweise dann auch aus wirtschaftlicher Sicht attraktiv.

Zusätzlich können auch weitere Wertstoffe wie Kalzium, Eisen und Aluminium zurückgewonnen werden, wie es beispielsweise das TetraPhos®-Verfahren ermöglicht. Hierbei werden durch Kreislaufführung von Phosphorsäure und Zugabe von Schwefelsäure in mehreren Prozessschritten Phosphate und Mineralstoffe aus der Klärschlammasche herausgelöst und voneinander getrennt. Zielprodukt ist eine schadstoffarme Phosphorsäure, die unter dem Markennamen RePacid® z. B. in der Dünge- und Chemieindustrie weiterverwendet wird. Die im Prozess gewonnenen Metallsalze werden wiederum in der Kläranlage zur Phosphorelimination eingesetzt. Auch das abgetrennte Kalzium wird zu Gips (Kalziumsulfat-Dihydrat) und die Minerale finden weitere Verwendungen, z. B. in der Baustoffindustrie.

Entwässerungsbetriebe kooperieren bei Umsetzung

Verfahren zur Rückgewinnung von Phosphor gibt es. Wie wirtschaftlich diese am Ende tatsächlich sind, wird sich zeigen. Die in Hamburg weltweit erste Phosphorrecyclinganlage geht hier mit gutem Beispiel voran: Das mit dem GreenTec Award 2016 ausgezeichnete TetraPhos®-Verfahren ermöglicht eine wirtschaftlich effiziente und großtechnisch umsetzbare P-Rückgewinnung – jährlich rund 7.000 Tonnen hochreine Phosphorsäure aus 20.000 Tonnen Klärschlamm. Rückenwind für den Betrieb der Anlage erhält das kommunale Trinkwasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsunternehmen HAMBURG WASSER dabei aus der Privatwirtschaft.

Was in der Hamburger Kläranlage schon heute läuft, wird vielerorts erst angegangen. Entsprechende Infrastrukturen müssen neu geschaffen werden, vor allem der Bau von Monoverbrennungsanlagen boomt. In einer 2020 vorgestellten Studie zum Thema „Klärschlammentsorgung 2030“ von waste:research ist die Rede von 43 geplanten Projekten für Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen. Das sind fast doppelt so viele Anlagen mehr als deutschlandweit aktuell in Betrieb sind. Um tragfähige Konzepte zu erarbeiten und die erheblichen Investitionskosten zu teilen, schließen sich viele Entwässerungsbetriebe zu Kooperationen zusammen. Auch spezialisierte Unternehmen tragen mit ihrem technologischen Know-how zu einer wirtschaftlichen Umsetzung der Anforderungen an ein zukünftiges P-Recycling bei.

Phosphorrecycling: Eine zukünftige Herausforderung

Angesichts verknappter Entsorgungswege wird Kommunen zukünftig auch vor allem die Frage nach einer sicheren Entsorgung von Klärschlamm beschäftigen, ist sich Andreas Rak, Mitbegründer des patentierten TetraPhos®-Verfahrens, sicher. „Ab Inkrafttreten der P-Rückgewinnungspflicht werden Mono-Verbrennungen zu Vorbehandlungsanlagen. Es fehlt der Schritt der P-Rückgewinnung, folglich ist der Klärschlamm künftig nicht abschließend entsorgt“, schildert der Experte für P-Rückgewinnung das Problem. Heutige Planungen für Verbrennungskapazitäten müssten daher das Phosphorrecycling inkludieren. „Verschiedene Verfahrensgeber haben nachgewiesen, dass Phosphorrecycling schon heute technisch möglich und wirtschaftlich machbar ist. Die Kreislaufwirtschaft hat also das Know-how, die Kommunen haben den Stoffstrom, der Wettbewerb um Öffentlich-Private-Partnerschaften für das Phosphorrecycling kann starten.“ 

Hamburg, Freie und Hansestadt

Zur Kommunenseite
Bundesland Hamburg
Einwohner 1.841.179 m: 902.048, w: 939.131
Größe 755.09 km²
2438 Einwohner je km²
Merkmale Großstädte und Hochschulstandorte mit heterogener sozioökonomischer Dynamik
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